Laurentiuskapelle
Welch ein Zufall, dass sich im September 1999 zum 430ten Mal der Tag jährte, an dem eine bischöfliche Visitation feststellte, dass es neben der Pfarrkirche St. Clemens auch eine kleine Kapelle (sacellum) gebe, die dem Heiligen Laurentius gewidmet sei. 1999 ist das Jahr, in dem die Kapelle nach einer umfassenden Renovierung den Menschen neu zur Besichtigung übergeben wurde.
Grundriss zur Planung um 1919
Aufnahme aus den 1960er Jahren
Grundriss Renovierung 1999
Entstehungs- und Bedeutungsgeschichte vor 1569
In den „Beiträge[n] zur Geschichte sämtlicher Pfarreien der Diöcese Trier“ des Domdechanten und Bischöflichen Offizials Dr. Philipp de Lorenzi schreibt dieser im ersten Band (erschienen Trier 1887) über die Laurentiuskapelle: „auf einer Anhöhe, dem Dorf Leiwen gegenüber, auf dem s. g. Laurentiusberg, lag die Laurentius-Kapelle, welche ehedem Pfarrkirche gewesen ist“. De Lorenzi begründet nicht näher, auf welche Urkunde er sich stützt, sondern schließt die Notiz an: „die Kapelle befand sich aber schon damals [1715] in so elendem Zustande, daß sie für den Gottesdienst interdiciert werden mußte. Heute [um 1887] sind von derselben nur noch Reste des Chores vorhanden“.
Ludwig Mathars Moselbuch webt noch in den zwanziger Jahren um das “Laurentiuskirchlein” eine ausgeschmückte Geschichte: Auf dem Laurentiusberg, so Mathar, der sich auf ihm überlieferte Erzählungen bezieht und wohl auch Lorenzis Buch kannte, habe hier Trittenheims erste Pfarrkirche gestanden. Auch das Dorf sei damals viel näher an dieser Kirche gelegen. Erst im 17. Jahrhundert sei eine neue Kirche im Dorfe entstanden. Woher er diese Angaben nimmt, wird nicht deutlich. Weitaus vorsichtiger deutet der Trierer Kirchenhistoriker Ferdinand Pauly die Funktion der Kapelle in seiner 1961 erschienen Darstellung über „Siedlung und Pfarrorganisation im alten Erzbistum Trier”1 in seinem Band über Landkapitel Piesport. Für Ferdinand Pauly ist es klar, dass die Rückfrage nach der Geschichte der Kapelle nur in Auseinandersetzung mit der Geschichte der Pfarrkirche St. Clemens und ihren Vorgängerbauten im Ansatz zu lösen ist. Da sowohl das Laurentius- wie das Clemens-Patrozinium ein hohes Alter und letzteres auch einen gewissen Grad an Seltenheit aufweisen, geht die Geschichte beider Kirchbauten vor die erste namentliche Erwähnung im Jahre 1569 zurück. Will man etwas von der Geschichte der Laurentiuskapelle erfahren, ist auch auf die Vorgeschichte der heutigen Pfarrkirche einzugehen.
Nach der päpstlichen Urkunde aus dem Jahr 11482 , die der Abtei St. Eucharius / St. Matthias ausgestellt wurde, bestätigte der in Trier weilende Papst Eugen III. der Abtei einen Hof mit Kirche als Besitz in Trittenheim. Aus einer Notiz des Klosters wissen wir, dass dieser Besitz entweder durch Erzbischof Egbert (977-993) oder mit größerer Wahrscheinlichkeit durch Erzbischof Eberhard (1047-1066) an die Mattheiser Abtei gelangte.
Der Grundbesitz der Abtei lässt sich ortsseitig grob umschreiben mit einem Terrain zwischen Mosel - Moselstraße - Spielesstraße (die Ausdehnung nach Norden ist schwerer festzulegen). Der Hof (darauf verweisen noch heute die Straßennamen “Hofgasse” und “Im Hof”) lag ortsseitig nahe der heutigen Kirche. Die in der Urkunde erwähnte Kirche war offensichtlich eine im Eigentum der Abtei befindliche Kirche, eine sog. Eigenkirche. Da sie aber kein spezifisch abteiliches Patrozinium besitzt, sondern dem Hl. Papst Clemens von Rom gewidmet ist, ist davon auszugehen, dass schon vor Inbesitznahme durch die Trierer Mönchsgemeinschaft eine Clemenskirche bestand. Als Hypothese lässt sich annehmen, der Kirchenbau sei unter Bischof Eberhard errichtet worden. Dieser weihte sie dem römischen Patron womöglich aus dem Grunde, dass er bei seiner Berufung auf den Trierer Bischofstuhl das Pallium - eine Stola, die als Zeichen des Erzbischofs getragen wird - durch den regierenden Papst Klemens II. empfangen hatte. In der Weihe der Trittenheimer Clemenskirche könnte Eberhard seine Dankbarkeit gegenüber dem Namenspatron des regierenden Papstes ausgedrückt haben.
Erhielt aber die Trierer Abtei eine Clemenskirche ohne das Patronat zu ändern, dann gab es entweder zur gleichen Zeit keine Laurentiuskirche oder es gab eine Laurentiuskirche, deren Bedeutung später verschwand. Für eine bestehende Laurentiuskirche spricht die lange Tradition von Gottesdiensten und Wallfahrten, die auch noch zu den Zeiten lebendig war, als der Zustand des Kirchleins als bedauernswert beklagt wurde. Auch ihr Patrozinium könnte auf eine alte Tradition verweisen, nahm doch das Laurentiuspatrozinium im 10. Jahrhundert unter den Ottonen einen besonderen Aufschwung nach der Schlacht auf dem Lechfeld.
Seit de Lorenzi wird immer wieder darauf hingewiesen, die Laurentiuskapelle sei Pfarrkirche des Ortes gewesen. Genau betrachtet kann dies aber so nicht zutreffen, denn noch im 14. Jahrhundert hatte sie in den kirchlichen Steuerlisten die Wertung als „semimatrix“, also als eine Halbmutterkirche, der nicht alle Pfarrrechte eigen waren. Sie war von einer anderen Kirche als Pfarrkirche abhängig.
Zu den Fragen nach Gründungszeit und Bedeutung
Pauly vermutet, dass aufgrund der besonderen Beachtung, die die Kapelle nach den schriftlichen Zeugnissen bis ins achtzehnte Jahrhundert erfahren hat (s.u.), diese Kapelle zeitweise, d. h. bevor die Clemenskirche existierte, eine Aufgabe quasi als Halbmutterkirche wahrnahm. Die zugehörige Pfarrkirche lag in Leiwen, was nicht zu bestreiten ist. Deren altes Patrozinium (Erzmärtyrer Stephanus) spricht für einen höheren Rang. Gleichwohl passt zu diesem Patrozinium wie eine Komplementierung das Patrozinium des Märtyrers und Diakons Laurentius. Das ihm gewidmete Kirchlein steht in Sichtweite zu Leiwens Pfarrkirche, aber auch zur Trittenheimer Kirche. Sollte auf diese Weise die Verbundenheit mit der Mutterkirche ausgedrückt werden, gleichzeitig jedoch das Bestehen eines eigenen Gottesdienstraumes den damaligen Einwohnern Trittenheims die beschwerliche und manchmal nicht ungefährliche Überfahrt ans andere Ufer der Mosel ersparen? Bestand die Kapelle schon im 10. oder 11. Jahrhundert, dann war sie ein erster Schritt zur pfarrlichen Eigenständigkeit.
Das Prümer Urbar, das den Besitzstand des 9. Jahrhunderts und in der Kommentierung den Status des frühen 13. Jahrhunderts widerspiegelt, lässt keinen Hinweis auf die Kapelle erkennen. Der Ort, wo die Laurentiuskirche liegt, liegt dem Terrain sehr nahe, das von der Prümer Benediktinerabtei über die Grafen von Vianden schließlich an das Grafenhaus Neuerburg-Manderscheid überging. Gehörte die Kapelle seit ihrer Begründung dem trierischen Bischofsstuhl, dann wäre denkbar, dass sie durch eine Kirche „unten“ im Dorf ersetzt werden konnte. Gehörte sie nicht dem Bischof, sondern war auch sie eine Eigenkirche auf dem Territorium des einstigen Prümer Besitzes, dann wäre an einen „konkurrierenden“ Kirchenbau zu denken.
Ob das Laurentius-Patrozinium eine Hilfestellung dazu bietet mag in Erwähnung gezogen werden. Mit dem Sieg Otto d. Gr. über die Ungarn am 10. August 955, dem Gedenktag des Heiligen, entwickelte sich in Deutschland ein Laurentiuskult, der auch zur Widmung von Kirchen an diesen Heiligen führte - und vielleicht auch die Laurentiuskapelle betraf.
Zeugnisse zur Laurentiuskapelle (zwischen 1569 und dem Ende des 19. Jahrhunderts)
Das Jahr 1569 ist für die Laurentiuskapelle ein Eckdatum. Mit diesem Jahr tritt die Kapelle in eine urkundlich nachweisbare Phase ihres Bestehens. Das Tridentinische Konzil, das zwischen 1542 und 1562/63 in drei Perioden tagte und auf die von Martin Luther herausgeforderten Reformen antwortete, drängte auch auf das regelmäßige Visitieren der Pfarreien. Diese kirchliche Form der Aufsicht fand im Obererzstift Trier, zu dem die Pfarrei Trittenheim als Teil des Dekanates Piesport gehörte, ab dem 6. September 1569 statt. Die Visitation verlief nach einem mehr oder minder festen Schema: der Pfarrer trat mit den Synodalen, dem Kirchenmeister und dem Kustos an einem zentralen, meist benachbarten Ort (Dekanssitz) vor die bischöfliche Kommission, man legte das tridentinische Credo ab, der Pfarrer legte seine Bestallungsurkunde vor und dann berichtete der Kirchenmeister über das Vermögen. Die Synodalen ihrerseits wurden über die sittliche Verfassung der Gemeinde befragt. Mit nach Hause nahmen sie schließlich die Kenntnis der wichtigsten tridentinischen Gesetze und Anordnungen, um deren Umsetzung sie sich zu bemühen hatten.
Was antworteten die Trittenheimer Delegierten der Kommission?3 Die knapp gehaltenen Notizen lassen erkennen, dass 1569 in Trittenheim weder ein Pfarrer noch ein Kaplan anwesend waren. Als Pfarrer fungierte ein “Herr von Palandt”; nach anderen Quellen handelt es sich um den Trierer Archidiakon Reiner von Palandt. Sein Name erscheint auch als Pfarrverweser in Konz und in Wallendorf (Dekanat Neuerburg). Es nimmt daher nicht wunder, dass in Trittenheim kein Pfarrer residierte. Da die Liste der Trittenheimer Pfarrer für die Zeit vor 1600 sehr lückenhaft ist, ist nur zu vermuten, dass Petrus Wolsfelt in den siebziger Jahren die Pfarrstelle antrat. Petrus Wolsfelt, der 1598 oder kurz zuvor verstarb und im Visitationsprotokoll von 1569 noch als “sacellanus” des Annen-Altars in Mehring genannt wird,4 hat für die Laurentiuskapelle insofern eine besondere Bedeutung, da Joh. J. Brauns in der von ihm angelegten Chronik im Trittenheimer Kirchenbuch (BATr 72, 855, 3, S. II) über ihn in lateinischer Sprache festhält, dass „nach dem Katalog unserer Vorgänger ... sich ein Teil einer Schrift in der Kapelle des Hl. Laurentius oberhalb des östlichen Fenster [befindet], wo man lesen kann: Petrus Wolsfelt Pastor im Jahre 1583 baute an dieser Stelle zuerst vor Mathias Rausch”.
Liest man „primo loco ponendus” im Sinne von ‚Bauen‘ - so auch die „Kunstdenkmäler der Rheinprovinz” (S. 387) – kann man darauf schließen, Wolsfelt habe die 1569 bestehende Kapelle 1583 baulich erneuert. Den Umfang der Renovierung wissen wir nicht zu benennen. Die Feststellung eines schlechten Bauzustandes der Kapelle zieht sich auch in den nachfolgenden Jahrhunderten wie ein roter Faden durch die Protokolle späterer Visitatoren.
Die Ersterwähnung weiß noch mehr über die Kapelle zu sagen: „die Kapelle St. Laurentius [hat] einen Altar ohne Kelch; dreiwöchentlich wird Gottesdienst gefeiert”.5 Der Hinweis auf einen Altar ohne eigenen Kelch belegt, dass die Kapelle zwar für die Feier der Messe vorgesehen war, aber es gab keinen eigenen Kelch, der gleichsam an die Kapelle gebunden war. Dies bezeugt gleichzeitig, dass sie nur noch sporadisch für Gottesdienste genutzt wurde. Die Notiz ist zu knapp, um zu erfahren, auf welcher Basis dieser Gottesdienst stattfand, d.h. ob er eine alte Tradition bezeugt oder auf eine jüngere Stiftung zurück geht.
1652 erscheint die Kapelle erneut in einem Visitationsprotokoll6, das die Situation nach den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges widerspiegelt. Beschrieben wird, dass die dem Hl. Laurentius geweihte Kapelle einen demselben Heiligen gewidmeten Altar besitzt; der aber sei entweiht. Die gesamte Ausstattung fehle und müsse aus der Pfarrkirche zum Gottesdienst herbeigeschafft werden. Das Protokoll stellt ausdrücklich fest, dass die Gemeinde zur Wiederherstellung verpflichtet sei.
Keine zwei Jahrzehnte später findet wieder eine Visitation statt (1669)7. Auch diese stellt fest, der Altar sei entweiht und alle notwendigen Gerätschaften und Ausstattungsstücke müssten aus der Pfarrkirche gebracht werden. Weiterhin heißt es dort, der Pfarrer sei verpflichtet, an jedem sechsten Wochentag, also freitags, Gottesdienst zu feiern. Sie findet aber aufgrund der großen Resonanz in der Pfarrkirche statt. Besonders hervorgehoben wird ein Gottesdienst am Festtag des Patronatsheiligen, zu dem der Pfarrer ein bestimmtes Maß Wein erhielt. Bemerkenswert ist, dass ausdrücklich eine Jahrtagsstiftung des Grafen von Manderscheid erwähnt wird. Für diesen Dienst erhält der Pfarrer ebenfalls eine Entlohnung in Form von Wein. Das Protokoll muss wieder hervorheben, die Gemeinde sei zur (notwendig gewordenen) Erhaltung bzw. Reparatur verpflichtet, was sich dieses Mal auf das Dach der Kapelle im speziellen bezieht.
Deutliche Worte findet schließlich das Visitationsprotokoll des Jahres 1715:
„Der Pfarrer ist Zehntherr in zwei von drei Teilen Trittenheims mit Ausnahme des Berges des Hl. Laurentius, wo der Kaplan der Grafen von Manderscheidt allein den Zehnten empfängt, ... Der Pfarrer ist am Fest des Hl. Rochus [eine Woche nach dem Festtag des Hl. Laurentius] zu einer sakramentalen Prozession auf den Berg des Hl. Laurentius verpflichtet ... Die Kapelle unter dem Patrozinium des Hl. Laurentius, oberhalb des Ortes auf dem Berg gelegen, befindet sich in einem sehr elenden Zustand, ist nicht verschlossen, ohne Wittum, ohne Ausstattung ... [Es wird angeordnet] 4., daß die Benutzung der Kapelle, auf dem Berg des Hl. Laurentius gelegen, solange für den Gottesdienst untersagt ist, bis sie geschlossen und vor der Gefahr der Profanierung (Verweltlichung) geschützt ist ...“8.
Die Quelle macht deutlich, dass die Kapelle im 18. Jahrhundert im oder am Zehntbereich der Manderscheider Grafen liegt. Wir erfahren außerdem, dass nicht nur ein festliches Amt am Laurentiustag gefeiert wurde, sondern dass die Kapelle auch Ziel einer Rochus-Prozession war. In diesem Zusammenhang ist es wohl nicht uninteressant, dass die fünf Bildstöcke des Ortes aus dem Jahre 1654, die der Motivreihe des schmerzreichen Rosenkranzes folgen, ehedem vom Ort zur Laurentiuskapelle hin aufgestellt waren.
Da die Visitation 1715 wiederholt feststellt, dass der bauliche Zustand miserabel sei (in miserrimo statu), lässt sich daraus nur schließen, dass die dazu aus Traditionsrecht verpflichtete Gemeinde offensichtlich keine besonderen Anstalten getroffen hatte - oder angesichts der langen Kriegswirren nicht konnte. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass das trierische Land nach dem Westfälischen Frieden von 1648 keineswegs ruhige Zeiten erlebte, vielmehr nach einer kurzen Ruhephase in verschiedenen Kriegen unter spanischen und französischen Truppen Not um Not erleiden musste. Da die Gemeinde außerdem auch für die Pfarrkirche Baupflichten zu erbringen hatte (insbesondere für den Kirchturm), ist es verständlich, dass in Zeiten der Not Prioritäten gesetzt wurden. Doch selbst für die Pfarrkirche scheinen die Mittel nicht gereicht zu haben, musste man doch auch für diese 1722 durch einen Neubau Ersatz schaffen. Da die Würde eines Gottesdienstes durch den Zustand der Kapelle nicht mehr gewahrt war, wurde sie vorsorglich für den Gottesdienst interdiziert. Es scheint so, dass diese Entscheidung zu Beginn des 18. Jahrhunderts endgültig war, denn die Folgen lesen wir aus dem Schweigen des Visitationsprotokolls des Jahres 1804 ab.
Nach dem Untergang des Kurfürstentums gehörte der westliche Teil des Erzbistums zu Frankreich. Das nun französische Bistum Trier erhielt 1802 einen neuen Bischof, Charles Mannay.9 Der seelsorglich eifrige Bischof machte sich schon bald auf, um durch Bereisung seines Bistums eine Übersicht über die Zustände in den ihm anvertrauten Gemeinden zu gewinnen. In Trittenheim trifft er am 5. Juli 1804 ein und visitiert mit allgemeiner Zufriedenheit die Pfarrei. Die Kapelle aber wird mit keinem Wort erwähnt. Und so wundert es uns auch nicht, dass bei der Visitation des Jahres 1848 die Frage nach einer öffentlichen Kapelle schließlich ohne Umstände verneint wurde.10 Auch die Reisebeschreibungen von der Mosel, die markante Punkte erwähnen, schweigen über die Reste des Bauwerkes.
Es musste erst ein kunstsinniger Pfarrer kommen, der sich gemeinsam mit einem ehemaligen Lehrer der Volksschule zum Wiedererstehen der Kapelle einsetzte.
Von der Wiederherstellung bis zur Gegenwart
Nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) waren auch unter der männlichen Bevölkerung Trittenheims Tote zu beklagen. Ihrer wollten die Menschen auf würdige Weise gedenken. 1918 kam der in Ayl geborene Priester Johannes Linden als Pfarrer nach Trittenheim und als musisch begabter Mensch, der selbst komponierte und malte, unternahm er kurz nach seiner Ankunft den ersten Vorstoß zu einer Wiederherstellung der Kapelle. Seinem pragmatischen Sinn entsprechend verknüpfte er diese Idee mit dem Wunsch, eine Kriegergedächtnisstätte zu schaffen. Sein Mitkämpfer war der ehemalige Volksschullehrer, als Weinhändler wirkende Georg Pfrang (1859-1937). Er selbst hatte den Tod zweier Söhne zu betrauern. Pfarrer Linden, der in einer Ansprache das Vorhaben aufgegriffen hatte, fand schnell Resonanz auf seine Idee. In einem Brief, datiert vom 28. Dezember 1918, heißt es:
„Sehr geehrter Herr Pastor! Ihre Aussprache vom Sonntag betreffs Erweiterung und Renovierung der St. Laurentiuskirche hat bei den Kriegsteilnehmern großes Interesse gefunden und ist mit großem Beifall aufgenommen worden. Die Kriegsteilnehmer würden es sich zur Ehre machen, zur inneren Ausstattung der Kirche ihr nötiges Scherflein dafür beizutragen. [...] Die Kriegsteilnehmer würden im Innern der Kirche eine Gedenktafel als letztes Andenken für ihre gefallenen Kameraden errichten lassen. Es ist allgemeiner Wunsch, Ihnen dieses bekannt zu geben. Einige Kriegsteilnehmer”
(Pfarrarchiv Trittenheim o. Sign., im Konvolut 'Laurentiuskapelle').
Pfarrer Linden ließ durch den Mainzer Architekten Anton Falkowsky (Schaffenszeit 1899-1936) einen Plan entwerfen, der die Erweiterung der bestehenden Ruine im Blick hatte. Nur noch Reste des Chores standen, so dass die ursprüngliche Ausdehnung der Kapelle nicht mehr erkennbar war. In den Jahren 1919/20 wurden die Bauarbeiten ausgeführt werden konnten, allerdings wohl nicht zur Zufriedenheit des Architekten.
Die Trittenheimer Schulchronik resümiert das Vorhaben folgendermaßen:
“Chor und Turm wurden angebaut und die Kapelle ausgemalt. Sie soll eine Gedächtniskapelle für die im Kriege 1914-1918 gefallenen Trittenheimer sein. Auf 4 Tafeln sind die Namen der Gefallenen und Vermißten verzeichnet. Eine weitere Tafel bekundet, daß die Eheleute Pfrang Georg und Maria geb. Marx die Mittel zum Bau in hochherziger Gesinnung gespendet haben. Herr Pfrang, dessen Schüler alle Gefangenen [so!] mit einer Ausnahme waren, wirkte als Lehrer von 1891-1908 an der diesseitigen Volksschule. Die Kosten für den Bau beliefen sich auf rund 20 000 M. Am 8.8.[19]20 wurde die Kapelle durch Herrn Pfarrer Linden feierlich geweiht. Am Fest des hl. Laurentius am 10.8. wurde zum 1. Male seit 3 Jahrhunderten wieder eine hl. Messe darin gelesen.”
Durch die Erweiterung wurde nach Westen eine Achse angefügt, über der ein kleines Turmgeschoss aufgesetzt wurde. Durch eine bauliche Veränderung im östlichen Teil des Chores ging jedoch das oben erwähnte Ostfenster mit seiner Inschrift verloren. Vorhanden blieb seinerzeit ein in die Mauer eingelassenes frühneuzeitliches, barockes Vesperbild, das einer gründlichen Restaurierung bedurfte. Dieses ist jedoch heute nicht mehr vorhanden. Die in der Kapelle angebrachten Tafeln verzeichneten die Namen der im Kriege getöteten Trittenheimer, unter ihnen selbstverständlich auch die der jüdischen Mitbürger. Die Kapelle wurde in den Folgejahren zum Ort der Gedenkfeiern für die Toten des I. Weltkrieges.
Wie eine solche Gedenkfeier verlief zeigt die Schulchronik auf das Jahr 1925:
“Am 1.3. [1925] fand an der Laurentiuskapelle die von der Reichsregierung angeordnete Trauerfeier für die Gefallenen statt. Unter Vorantritt der Musik begab sich der M. G. V. Trithemius zur Kapelle, wo sich alsbald zahlreiche Einwohner des Dorfes versammelten. Die Musik spielte einige Trauerweisen, der M.G.V. sang 2 Trauerlieder, worauf der Gemeindevorsteher eine Ansprache hielt und je einen Kranz für die Gemeinde und den M.G.V. in der Kapelle niederlegte.”11
Ende 1944 führte eine Bombardierung in der Nähe der Kapelle zu Schäden an der Türfüllung und Decke der Kapelle, jedoch blieb das exponiert liegende Gebäude vom Krieg weitgehend unversehrt.
Nach dem zweiten Weltkrieg sollte die Kapelle eine stärkere Einbeziehung in das religiöse Leben der Gemeinde gewinnen. Dazu trug die Einweihung des neuen Kreuzweges bei, der vom Dorf zur Kapelle hinauf führte. Der in Trittenheim gebürtige Domkapitular Kaspar Kranz hatte diesen Kreuzweg im August 1947 konsekriert. So schloss sich gewissermaßen der Kreis zur früheren Tradition, als die Bildstöcke aus dem Jahr 1654 (im Dorf gemeinhin „Pestkreuze“ genannt) vom Ort zur Kapelle hinauf den Prozessionsweg begleiteten.
Die Wiederbelebung der Laurentiusweinkirmes im Jahre 1951 wollte nicht nur ein Winzerfest feiern. Man nahm dieses Fest zum Anlass, auch wieder an dem Ort Messe zu feiern, wo sich viele Generationen Trittenheims Jahr um Jahr eingefunden hatten. Kam man in früheren Zeiten einer Verpflichtung nach wurde der Besuch jetzt zur neubelebten Erinnerung. Bürgermeister Hans Gerwalin betrieb eine erneute Renovation der offenen Kapelle, durch die in den siebziger Jahren im Stil der Zeit das offene große Portal nach Norden mit Glasbausteinen geschlossen wurde; als Eingang diente eine Seitentüre in der östlichen Turmwand.
Der aufstrebende Fremdenverkehrsort Trittenheim konnte mit der Kapelle auch Punkte für seine Attraktivität machen. Ob Wanderer oder Spaziergänger - die Kapelle zog für einige Minuten in ihre Stille hinein.
Die exponiert stehende Kapelle blieb nicht vom Zahn der Zeit verschont. Der Putz wurde gräulich, die Feuchtigkeit drang ins Gemäuer ein und das Dach bot längst nicht mehr Sicherheit gegen eindringende Feuchtigkeit. Trittenheimer Frauen und Männern nahmen sich daher im November 1996 vor, angesichts leerer öffentlicher Kassen einen Beitrag zur Sicherung der alten Bausubstanz zu leisten. Am 15. Dezember 1996 gründete sich der Förderverein Laurentiuskapelle Trittenheim e. V. mit 25 Gründungsmitgliedern. Bis 1998 zählte er 56 Personen. Sein Ziel war laut Satzung, die Kapelle grundlegend zu restaurieren. Dazu wurde das Dach mit dem ortsüblichen Schiefer eingedeckt, das Fundament trockengelegt und das durch die aufsteigende Nässe in Mitleidenschaft gezogene Mauerwerk saniert. Innen wie außen wurde der Putz erneuert und eine neue farbliche Fassung aufgetragen, gefolgt von neuen Fenstern und Türen.
Außer den Mitgliedsbeiträgen waren es Geld- und Sachspenden und die Erträge der Pfarrfeste oder aus Weinversteigerungen, die das grundlegende Budget schufen, mit dem die Arbeiten zügig voran kamen. Ohne viele freiwillige Hände, die von Baubeginn an immer wieder wesentlich Hand anlegten, wäre das Projekt nicht in der kurzen Zeit zu bewältigen gewesen.
Im Februar und März 1997 fanden mit den staatlichen und kirchlichen Denkmalämtern Ortsbesichtigungen statt. Sie galten der Frage, ob es einen Zuschuss geben könne. Während die Diözese Trier aufgrund ihrer schlechten Haushaltslage keinen Zuschuss in Aussicht stellen konnte, entschlossen sich die staatlichen Behörden, das wichtige Vorhaben zur Erhaltung mit einem Zuschuss zu honorieren. Der vom Verein erstellte Kostenvorschlag und die ersten Angebote machten es möglich, die ersten Aufträge zu vergeben. Das Dach wurde als erstes saniert und dieser Bauabschnitt in fünf Arbeitswochen beendet. An Gewerken und Eigenleistungen wurden erbracht: ein neues Turmkreuz (Firma Backes in Trittenheim), das Auswechseln des Dachgebälkes und der Dachschalung (Zimmermannsgeschäft Metzen; Piesport). Das Gerüst stellte die Firma Lutz (Wittlich), die Dachdeckerarbeiten besorgten die Dachdeckermeister Lorenz Schug und Reinhold Hoffmann. Die Holzschall-Lamellen fertigte Ludwig Becher, den Außenputz des Turmgeschosses brachten Klaus Clüsserath und Alfred Reis auf. Den Anstrich des Turmes nahm der Trittenheimer Malermeister Bernhard Grochowski mit Karl Josef Boch vor. Den alten Putz und den Naturschiefer des Daches hatten die Freiwillige Feuerwehr Trittenheim entfernt. Die Dorfjugend sorgte schließlich dafür, dass die Baustelle aufgeräumt und sauber zurückblieb.
In der Kostenabrechnung dieses Bauabschnitts ergaben sich Ausgaben in Höhe von 47.243,95 DM (Anfang Dezember 1997). Die Untere Denkmalbehörde auf Kreisebene teilte dem Verein mit, die Kapelle solle unter Denkmalschutz gestellt werden.
Anfang Januar 1998 nahm man sich den nächste Bauabschnitt vor. Dieser hatte ein Volumen von rund 138.000 DM. Das Landesdenkmalamt stellte 25.000 DM, das Denkmalamt des Kreises gemeinsam mit der Kreissparkasse Bernkastel-Wittlich 2.000 DM und die Raiffeisenbank Neumagen über ihre Trittenheimer Filiale 500 DM als Zuschuss in Aussicht. Auch dieses mal musste das Bistum passen. Bis Anfang September wurden im zweiten Bauabschnitt im Außen- und Innenbereich der Kapelle wesentliche Eigenleistungen erbracht. Dabei kam es beim Abnehmen der alten Holzvertäfelung im Chorraum zu einer Überraschung: ein Deckengemälde aus dem 20. Jahrhundert konnte freigelegt werden. Dargestellt ist ein auferstandener Christus. Die Identifizierung des Künstlers war nicht möglich. Der hohe Kostenvoranschlag ließ eine Restaurierung vorerst nicht zu und so wurde das Gemälde unter einer eingezogenen Rigipsdecke für einen späteren Zeitpunkt erhalten. Zwischen Ende August und Anfang September 1998 wurde der Raum isoliert. Den Außenputz konnte man noch im Oktober auftragen. Im zweiten Bauabschnitt wurde ein finanzielles Volumen von rund 116.000 DM verbaut; 12 Prozent wurde dabei in Eigenleistung erbracht.
Der Eingang wurde im Rahmen der Renovation wieder an seine ursprüngliche Situation von 1919 zurück verlegt, gleichzeitig aber durch eine vorgezogene Überdachung geschützt. Die Einweihung erfolgte schließlich im Sommer 1999.
Christoph Schmitt
Fußnoten:
- 1) Ferdinand Pauly, Siedlung und Pfarrorganisation im alten Erzbistum Trier: Die Landkapitel Piesport, Boppard und Ochtendung. Trier 1961, [=Veröffentlichungen des Bistumsarchivs Trier; 6].
- 2) In der trierischen Annuntiatenzählung, war dies noch das Jahr 1147.
- 3) Vgl. dazu Ferdinand Hüllen, Die erste tridentinische Visitation im Erzstifte Trier 1569, in: Trierisches Archiv 8 {1905} 35-86, S. 80.
- 4) Später wird der Trittenheimer Pfarrer Gerlach Könges (1616-1688) ebenfalls zunächst Altarist am Annen-Altar in Mehring sein.
- 5) Zitiert nach Ferdinand Hüllen, Die erste tridentinische Visitation im Erzstifte Trier 1569, in: Trierisches Archiv 8 {1905} 35-86, S. 80.
- 6) Vgl. BATr 40, 4c, Visitationsprotokoll von 1652, Bl. 147f.
- 7) Vgl. BATr 40, 8, Bl. 25-26: Visitationsprotokoll aus dem Jahr 1669 (Landkapitel Piesport), Bl. 26r.
- 8) Vgl. BATr 40, 19, Bl. S. 256-266, S. 257 und 263.
- 9) Zu seiner Person s. das aufschlussreiche Büchlein von Leo Schwarz, Charles Mannay - ein Bischof aus Frankreich in Trier, Trier 1998.
- 10) Vgl. BATr 44,139, Bl. 260-275, 265r
- 11) 1933 fand die Gedenkfeier am 9. November auf dem von Gemeinde- nach Adolf Hitler umbenannten Platz statt.