Vom Katholischen Jugendheim zum Pfarr- und Jugendheim
Was gehört zu den Gebäuden, die ein Gemeinwesen für seine gemeinschaftlichen Aufgaben braucht? Kindergarten, Schule, Feuerwehrhaus, Rathaus, Pfarrhaus und Kirche. Und jeder in Trittenheim wird es bestätigen: das Pfarr- und Jugendheim.
Waren es in früheren Zeiten oft private Gasthäuser, die einen großen Saal zur Verfügung stellen konnten, entsteht dreizehn Jahre nach der nationalsozialistischen Diktatur und Indoktrination und noch immer im Angesicht einer jungen Generation, die durch diese Zeit in ihrer Orientierung erschüttert worden war, die Idee, ein Gemeinschaftshaus zu schaffen, das der Bildung im Sinne humaner und christlicher Werte dienen sollte. Zu den Initiatoren gehörte Johannes Wolf (*1899 +1967), dem nach der Vertreibung des langjährigen Pfarrers und Gegners des Nationalsozialismus Johann Linden während des Krieges die Trittenheimer Pfarrei anvertraut wurde. Er wusste nur allzu gut um die missliche Entwicklung der geistigen Orientierung seiner Trittenheimer Jugend. Als nach dem Krieg kirchliche Jugendarbeit wieder möglich war, nahm er diese Chance wahr, um besonders die jungen Menschen in einer christlichen Grundhaltung zu bilden. Sie sollten dadurch auf ihren Beitrag in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft vorbereitet werden. Das seelsorgliche und pastorale Handeln brauchte sich nicht mehr länger auf den innerkirchlichen Bereich beschränken und man durfte sich wieder außerhalb des sakralen Raumes betätigen. Für Wolf bedeutete das, kirchliches Handeln in der Jugendarbeit brauche einen Raum „in der Welt“, den die Trittenheimer Pfarrei damals aber so nicht bot.
Schon bald nach der Währungsreform 1948 war es möglich, freie Räume im alten Novitiatshof der Jesuiten, in dem seit 1897 Schwestern vom Heiligen Geist vor allem eine Kinderbewahranstalt bzw. einen Kindergarten unterhielten, zu nutzen. Verschiedene Umstände zeigten jedoch, dass sich der Raum als ungünstig erwies. Pfarrer Wolf entschloss sich daher zum Bau eines Jugendheimes. Allerdings trat er mit seinem Plan erst 1953 an die Öffentlichkeit. Er tat es zu einem Zeitpunkt, als auch seitens der Zivilgemeinde Überlegungen laut wurden, ein Jugendhaus einzurichten. Wolf hatte mit den Jugendlichen des Dorfes die Zwischenzeit dazu genutzt, durch Aufführungen von Theaterstücken ein Baukapital anzusparen. Hinter den Aufführungen steckten als Akteure junge Menschen aus dem Dorf, die sich von ihrem Seelsorger begeistern ließen.
Der so gelegte Grundstock wuchs durch Spenden aus der Bevölkerung, man konnte aber auch durch seinen Beitritt zu dem eigens gegründeten Bauverein (Mitglied waren rund 120 Familien) das Budget erweitern. Monatliche Kollekten ergänzten, was an Kapital fehlte.
Wolfs Plan stieß rasch auf eine positive Resonanz. Schließlich konnten die Bürger damit rechnen, dass nicht nur die Jugend profitieren werde, sondern auch die Allgemeinheit den geplanten großen Saal nutzen könne. Die äußerst schlichte, auf praktische Bedürfnisse reduzierte Planung des Bauwerkes stieß zwar bei der diözesanen Baubehörde nicht auf Gegenliebe. Das konnte Pfarrer Wolf jedoch nicht davon abhalten, sein Projekt weiter zu verfolgen.
Der Grundstein wurde im Juni 1954 auf einem Grundstück gelegt, das der Pfarrei unterhalb der alten Schule an der Spielesstraße gehörte und als Obstwiese diente. Zügig nahm das Bauwerk seine Formen an. Karl Hoffmann, der Jugendleiter, konnte die Dorfjugend so stark motivieren, dass diese ein beachtliches Maß an Eigenleistungen erbrachte, vor allem bei den Ausschachtungsarbeiten und beim Transport des Baumaterials. Für den Bauträger wurden so erhebliche Kosten eingespart und die Beteiligten gewannen eine besondere, bis heute nachwirkende Verbundenheit mit ihrem Bauwerk. Die Facharbeiten führten heimische Firmen aus (so die Maurer- und Putzarbeiten durch Fa. N. Kaufmann, den Anstrich durch den Malermeister J. Frank, die Schreinerarbeiten durch die Schreinerei J. Mühlbacher). Den unentgeltlichen Aufbau des Dachstuhls leistete der ortsansässige Zimmermann Huberty unter Zuhilfenahme seiner Verwandtschaft. Im Winter 1954 stand der Rohbau, so dass die Arbeiten des Innenausbaus im Frühjahr 1955 zügig angegangen werden konnten. Es brauchte weniger als ein Jahr, bis das Jugendheim fertiggestellt war: entstanden war ein Bau von 27 m Länge und einer Breite von 11 m. Das Untergeschoß beherbergte eine Küche, zwei Gruppenräume sowie einen Spielsaal und die Sanitäranlagen. Darüber lag der große Saal, der vierhundert Personen fassen konnte und an dessen südlichem Ende eine ausreichend große Bühne mit entsprechendem Zugang zum Untergeschoß angelegt war. Oberhalb des Eingangsbereichs, an der Nordseite des Pfarrheims, wurde eine Loge eingerichtet.
Die Gesamtkosten (ohne den Außenputz) bezifferten sich auf rund 80.000 DM und wurden durch den angesparten Fond aus Theatereinnahmen, aus Spenden und sonstigen Ersparnissen finanziert. Hinzu kamen Zuschüsse des Bundes (DM 10.000) und des Landkreises Trier (DM 1.000). Sowohl das Bistum, das den Plan abgelehnt hatte, als auch der Gemeinderat „verzichteten“ auf eine finanzielle Beteiligung. Die Segnung dieser “Heimstätte der Jugend“, wie die Trierische Landeszeitung am 4. Juni 1955 das Jugendheim bezeichnete, und die Übergabe an die Öffentlichkeit geschah am Dreifaltigkeitssonntag des Jahres 1955. Voraus ging eine gut besuchte nachmittägliche Andacht. Musikverein, Kirchenchor sowie Marien- und Jugendverein wirkten bei den Feierlichkeiten mit, und der Hausherr Johannes Wolf bot nach dem offiziellen Teil noch die Möglichkeit zu einem “gemütlichen Beisammensein im großen Saal“ bis 23 Uhr.
J. Wolfs Nutzungskonzept sah vor, dass die Räume des Untergeschosses nicht nur der Jugendarbeit, sondern auch Einkehrtagen zur Verfügung stehen sollten. Er wünschte sich dazu eine Kapelle, die dann jedoch nicht realisiert wurde.
Als Pfarrer Paul Breithaupt (*1913 +1972) im Jahre 1960 die Pfarrstelle antrat, hatte sich auch in den Gremien der Kommunalpolitik soviel verändert, dass die Zivilgemeinde sich bei der Erweiterung und Umgestaltung des Jugendheimes finanziell beteiligte. Um die Attraktivität des Hauses zu verbessern, richtete man im Kellertrakt eine Kegelbahn ein, die bald gut frequentiert wurde. Nach Osten hin wurde ein Anbau errichtet, der in Höhe des Saales mit einer Küche und einem Gruppenraum ausgestattet wurde. Die Räume des Untergeschosses wurden nun als provisorische Mietwohnung für den nebenberuflichen Hauswirt genutzt. Hatte sich Pfarrer Wolf aus seinen jugendpastoralen Zielen heraus noch strikt gegen einen Wirtschaftsbetrieb im Jugendheim gewandt, so bot der Umbau in den Augen des neuen Pfarrers die „günstige und preiswerte Möglichkeit für den Absatz der Weine der Pfarrgüter“. Er war der letzte Pfarrer, der noch gemeinsam mit seinem Werkmann eigene Weine erzeugte.
1964 bis 1966 wurde die Volksschule neu erbaut . (Vgl. Chr. Schmitt, Dreißig Jahre Johannes-Trithemius-Schule Trittenheim (1966-1996). In: Jahrbuch des Kreises Bernkastel-Wittlich 1996.) Mit dem Bau war ein lang gehegter Wunsch nach einer Schulsporthalle verbunden, der aber nicht zu erfüllen war. Um dennoch einen witterungsunabhängigen und schul- und turngemäßen Unterricht erteilen zu können, trafen die Kirchengemeinde und die Zivilgemeinde als Schulträgerin der Johannes-Trithemius-Schule die Übereinkunft, den großen Saal des Jugendheims ab dem Jahre 1966 an drei Tagen in der Wochen gegen Erstattung der entstehenden Reinigungs- und Heizkosten sowie gegen eine geringe Nutzungsgebühr als provisorischen Gymnastikraum bzw. Schulturnhalle zu nutzen. Es war ein Provisorium, das noch Jahre nach der Umwandlung der Volks- in eine Grundschule währen sollte. Was dem schulischen Sport recht war, sollte dem örtlichen Gymnastikclub (Damen-Gymnastikclub, ab 1966) nur billig sein.
Nutzen zogen aber in den kommenden Jahrzehnten nicht nur die Schule, sondern viele andere Gruppierungen und Vereine und gelegentlich auch Privatpersonen, die dort eine Familienfeier ausrichten wollten. Nikolaus-, Weihnachts-, Schulentlassfeiern, Ausstellungen, Geselligkeitsveranstaltungen örtlicher Vereine, Konzerte von Klassik bis Rock, die Umwandlung in ein Narrenschiff zur fünften Jahreszeit, Schachturniere und nicht zu vergessen die Jubiläumsfeierlichkeiten zum Trithemiusjahr 1962 oder die Eröffnungsfeier zum Schulhausneubau 1966 fanden hier einen geeigneten Veranstaltungsort. Nicht unerwähnt bleiben darf auch, dass im Jugendheim auch durch die Vereine der sogenannte Altennachmittags seit 1971 ausgerichtet wurde.
Das Jugendheim wurde im Laufe der Jahre vermehrt für Veranstaltungen belegt, die nicht zum Bereich der Jugendarbeit zählen. Der Wegfall des Untergeschosses für die Jugendarbeit hatte dabei gravierendere Einschnitte, als dies anfangs erkennbar erschien. Zwar brachte auch der gewandelte, stärker individualisierte Lebensablauf der Jugendlichen (Schullaufbahn, Berufsausbildung, Studium, Wehr- und Ersatzdienst, divergierende Interessen, Freizeitgestaltung, Vereinszugehörigkeit u.a.) eine neue Herausforderung für die Jugendarbeit, doch das Fehlen eines festen Ortsbezugs durch einen festen Raumes trug schließlich nicht unwesentlich dazu bei, dass die immer wieder versuchten Neubelebungen kirchlicher offener Jugendarbeit nur kurzfristigen Bestand hatten.
Räume im alten Kindergarten oder in der alten Schule boten nur unzureichende Möglichkeiten oder sie ließen sich auch nur mittelfristig belegen. Das Problem erkannten die pfarrlichen Gremien, doch sie konnten unter den gegebenen Umständen keine Lösung finden. Hinzu kam, dass das Gebäude zunehmend bauliche Mängel aufwies, die aber angesichts vieler anderer Aufgaben in den siebziger und achtziger Jahren nicht prioritär gesehen wurden. Eine fachliche Begutachtung der baulichen Situation machte schließlich deutlich, dass man an einer größeren Renovierung an Fenstern, am Dach und Fußboden nicht vorbeikam. Die geschätzten Kosten für dieses 1989 beschlossene Vorhaben beliefen sich auf rund 150.000 DM.
Tilmann Haag (*1930 +1990), 1989 zum neuen Pfarrer von St. Clemens ernannt, erkannte, was ihn seine Erfahrungen in früheren Pfarreien lehrten: eine Teilrenovierung bringt keine zukunftsweisende Verbesserung. Die kirchliche Jugendarbeit war ihm eine Herzensangelegenheit und so schmerzte ihn das Fehlen entsprechend nutzbarer Räumlichkeiten umso mehr. Er regte an, den Architekten Professor Dr. G. Kleinjohann (Trier) mit der Konzipierung der Renovierung des Pfarr- und Jugendheimes zu beauftragen. Eine wesentliche Vorgabe bestand darin, dass ein Haus für die Jugend wiedererstehen sollte. Haags unermüdlichen Einsatz setzte sein früher Tod nach einem Jahr Seelsorge in Trittenheim ein abruptes Ende. Und doch war dieser Schritt von ihm gleichermaßen sein Vermächtnis an die Gemeinde, um das Projekt voranzutreiben.
Auch die sechsmonatige Vakanz verstrich nicht ungenutzt unter dem Pfarrverwalter, Dechant P. J. Mittermüller (Piesport). Dem neu ernannten Pfarrer der neuen Seelsorgeeinheit Neumagen-Dhron-Trittenheim, Dechant H. Honecker, konnte er das Thema Jugendheim als 'Staffel' weiterreichen.
Die ersten Planungen des Trierer Architekten Prof. Dr. Kleinjohann bezogen auch Räume des angrenzenden Kindergartens ein und beliefen sich auf ein Kostenvolumen von annähernd 1,5 bis 1,6 Millionen DM. Diese Summe konnte die Pfarrei nicht tragen, weshalb das Bischöfliche Generalvikariat in Trier ein Kostenlimit bei 1,3 Millionen DM setzte. Mit dieser Maßgabe wurde das Sanierungs- und Renovierungskonzept überarbeitet. Daran beteiligt waren der Architekt Dr. Kleinjohann, der mit der Bauausführung beauftragte Architekt P. Hilmes (Piesport), die zuständigen Abteilungen des Bischöflichen Generalvikariates in Trier, die Zivilgemeinde Trittenheim und die entsprechenden verantwortlichen Personen der Pfarrei. In vielen Gesprächen fand man schließlich ein Raumkonzept, das den funktionalen und finanziellen Ansprüchen gerecht wurde: der bestehende Saal sollte in einen kleineren und einen größeren Teilbereich getrennt werden können, sodann sollte eine neue Bühne geschaffen und eine neue Küche eingerichtet werden; der Gruppenarbeit sollten mindestens zwei Räume zur Verfügung stehen und neben einer Sanitäranlage und Nebenräumen sollte auch wieder eine Kegelbahn vorhanden sein. Die Kostenschätzung für die reine Baumaßnahme belief sich auf die vorgegebenen 1.300.000 DM. Das vorgelegte Finanzierungskonzept sah vor, dass sich das Bistum mit einem erheblichen Zuschuss in Höhe von 720.000 DM einbrachte, die Zivilgemeinde sollte sich mit einem Zuschuss von 300.000 DM und der Kreis mit 80.000 DM beteiligen. Als Eigenleistungen sollten der Pfarrgemeinde schließlich 200.000 DM der Baukosten verbleiben. Die zusätzlichen Baunebenkosten übernahm dankenswerterweise die Bistumskasse. Die Kosten für das Inventar wurden auf 150.000 DM angesetzt und waren von der Kirchengemeinde zu tragen.
Auf die beiden Blockausschreibungen gingen Angebote ein, die einen nochmaligen Kostenüberschlag ermöglichten. So ließ sich abschließend prüfen, an welchen Punkten Abstriche gemacht werden mussten bzw. wo die Vorgaben der Limitierung eingehalten werden konnten. Die zügige Vergabe ermöglichte einen raschen Beginn der Arbeiten, die nach etwa eineinhalb Jahren zum Abschluss gebracht werden konnten. Die Abrechnung
mit 1,1 Millionen DM zeigte, dass das Kostenlimit nicht überschritten wurde, was besonders der sorgfältigen Betreuung durch Architekt Hilmes zu verdanken war.
Sowohl die finanziellen Zusagen des Bistums, das selbst große finanzielle Probleme zu bewältigen hatte, als auch der Beitrag der Zivilgemeinde, die ihrerseits in anderen Bereichen Abstriche machen musste, wurden erfüllt. Nur der Bescheid der Kreisverwaltung blieb noch länger aus. Durch Spenden, Sammlungen und Pfarrfeste rund brachte die Pfarrei 60.000 DM zusammen.
Nach einer vierjährigen Planungs- und eineinhalbjähriger Bauzeit stand der Pfarrgemeinde wie der Zivilgemeinde nun ein Haus zur Verfügung, das auch schon in den vorausgegangenen vierzig Jahren jungen und alten Menschen des Ortes für Gemeinschaftliches gedient hatte. Das renovierte Gebäude konnte fortan wieder Raum bieten für kulturelle Aktivitäten und im Zusammenspiel mit Kindergarten, Schule, Sport einen wichtigen Beitrag zur Ausgestaltung des dörflichen Lebens leisten.
Christoph Schmitt